Auf Grund gestiegener Baukosten ist der aktuelle Masterplan Bau infrage gestellt. Derzeit werden vor allem eine massive Verschiebung zahlreicher Bauprojekte und die komplette Absage einzelner Bauprojekte diskutiert.
Unter den Projekten, die erheblich verschoben werden sollen, ist auch die Generalsanierung der Physikalischen Institute. Dies ist aus Sicht der Fachschaft nicht hinzunehmen: Abgesehen vom insgesamt desolaten Zustand des Gebäudes ist seit über zehn Jahren die massive Belastung des gesamten Gebäudes, insbesondere aber auch der studentischen Arbeitsbereiche, durch PCB und Asbest bekannt. Die inzwischen zahlreichen Gutachten kommen zu dem Schluss, dass selbst in den am wenigsten betroffenen Bereichen eine Sanierung innerhalb von 2-3 Jahren notwendig ist, für einen Großteil des Gebäudes ist selbst diese Wartezeit laut Gutachten nicht vertretbar. Seit Jahren redet die Universität das Problem klein und vertröstet Nutzer*innen des Gebäudes ebenso wie den Arbeitsschutz auf die sich immer wieder verzögernde Generalsanierung. Auch wenn inzwischen von Dozierenden, Mitarbeiter*innen und Studierenden gemeinsam einzelne Sanierungsmaßnahmen durchgesetzt werden konnten, wozu sicherlich auch alarmierende Artikel in der Lokalpresse beigetragen haben, ist der Großteil der bekannten Schadstoffquellen nicht beseitigt und die Messwerte haben sich erwartungsgemäß nur geringfügig verbessert.
Angesichts dessen ist die nun diskutierte weitere Verschiebung der Generalsanierung, die nach bisherigem Planungsstand dieses Jahr verspätet hätte beginnen sollen, um ein halbes Jahrzehnt nicht zu verantworten! Sie wird von den Nutzer*innen des Gebäudes nicht toleriert werden und es ist auch davon auszugehen, dass Arbeitsschutz und Gesundheitsamt zu Recht intervenieren werden.
Offensichtlich wurden Baukosten und Bauzeiten bisher systematisch unterschätzt. Die Fachschaft Physik begrüßt angesichts dessen einen Paradigmenwechsel zu einer realistischen Planung. Dieser bietet die Chance, die Lage ehrlich zu diskutieren und zu demokratischen Entscheidungen über die Prioritätensetzung zu kommen, anstatt wie bisher die Debatte mit unrealistischen Versprechungen an alle klein zu halten und im Hintergrund die Projekte derjenigen, die das größte Durchsetzungsvermögen haben, zulasten der übrigen Projekte zu priorisieren oder ohne ehrliche Diskussion Kosten zu verursachen, die später durch „solidarische“ Kürzungen ausgeglichen werden sollen.
Zum notwendigen Paradigmenwechsel gehört auch die tatsächliche Einbeziehung aller Nutzer*innen in die Gestaltung der Gebäude. In der Vergangenheit wurden immer wieder Gestaltungswünsche und Änderungsvorschläge nicht nur von Studierenden faktisch ohne Debatte ignoriert. Sie wurden zwar prinzipiell anerkannt, eine Debatte über diese Vorschläge wurde aber immer wieder verschoben, aber zeitgleich Tatsachen geschaffen. Dies muss sich in Zukunft systematisch ändern: Die Interessen der Studierenden (und auch der Mitarbeiter*innen) müssen in allen Bauprojekten der Universität verstärkt wahrgenommen werden. Insbesondere muss der Widerspruch gegen die Wegrationalisierung der Institutsbibliotheken und die Schließung studentischer Arbeits- und Aufenthaltsbereiche, wie sie etwa an der Humanwissenschaftlichen Fakultät in den letzten Jahren massiv stattgefunden haben, endlich berücksichtigt und stattdessen der konsequente Ausbau der öffentlich zugänglichen und von den Fachbereichen selbst gestalteten Infrastruktur in der Fläche forciert werden.
Alle Projekte im derzeitigen Masterplan Bau sind wichtig und jetzt nötig.
Bei den Planungen im noch aktuellen Masterplan Bau handelt es sich nicht um Luxusprojekte. Vielmehr geht es um den längst überfälligen Ausbau von Kapazitäten, insbesondere auch bei studentischen Arbeitsplätzen, und um die überfällige Sanierung heruntergekommener Gebäude.
Vor allem aber machen eine erhebliche Schadstoffbelastung, die mit gesetzlichen Regelungen unvereinbar ist, sowie Mängel an den Belüftungsanlagen, die vielerorts zu einer Nichteinhaltung der Arbeitsstättenverordnung führen, zahlreiche Sanierungen unerlässlich. Die Weiternutzung zahlreicher Gebäude trotz dieser Mängel und der damit einher gehenden Gesundheitsgefährungen ist überhaupt nur im Hinblick auf die geplanten Sanierungen übergangsweise genehmigt und von den Nutzer*innen toleriert worden.
Diese Dringlichkeit wird auch nicht durch die Erfahrungen mit der gegenwärtigen Krise relativiert, im Gegenteil: Die Erfahrungen mit dem Corona-Semester bestätigen die Relevanz nicht nur von öffentlichen und studentischen Räumen, sondern auch von sinnvoll gestalteten Arbeitsplätzen für Mitarbeiter*innen und insbesondere Doktorand*innen vor Ort. Dabei geht es nicht nur um die Produktivität und Gesundheit der Kolleg*innen; vielmehr waren Fachbereiche mit ausgeprägten kooperativen Präsenzstrukturen auch vom Homeoffice aus ganz anders in der Lage, kooperativ auf die Krise zu reagieren.
Die Realisierung der Einheit von Lehre und Forschung, der sich die Uni zum Beispiel im Rahmen der aktuellen Debatte um das Leitbild Lehre erfreulicherweise neu verschrieben hat, erfordert die systematische und frühzeitige Einbindung von Studierenden in Forschungsarbeitsgruppen, typischerweise während der Bachelor- und Masterarbeit. Dies führt selbst dann, wenn Homeoffice dauerhaft von einigen Kolleg*innen an einzelnen Wochentagen wahrgenommen werden sollte, absehbar zu einem erheblich steigenden Bedarf an Arbeitsplätzen in allen Arbeitsgruppen.
Es ist auch ein Trugschluss, dass die Verschiebung oder Streichung von Bauprojekten zu einer Kosteneinsparung führen könnte. Dies gilt allein schon wegen der hohen Kosten für die zahllosen Anmietungen und Provisorien. Zudem gehen Entwicklungschancen wie etwa der Erwerb der Kirche St. Laurentius endgültig verloren.
Vor allem aber muss zeitnah für alle Beteiligten geklärt werden, dass Änderungen bei Bauplanungen nicht zu Einsparungen beim Personal führen.
Vielmehr sollte die Uni angesichts der Unausweichlichkeit insbesondere der Schadstoffsanierungen in Kooperation mit dem Land eine Lösung finden, um die Bauprojekte nach bisherigem Plan zu realisieren und die Gesamtkosten möglichst niedrig zu halten.
beschlossen am 28.9.2020