Auszug aus der aktuellen Impuls
1) Was ist das?
PCB, polychlorierte Diphenyle, ist eine Gruppe giftiger, krebsauslösender Stoffe, die bis in die 1980er Jahre vielfältig in Technik und Bau eingesetzt wurden und seit 2001 weltweit verboten sind. (In Deutschland wurde die Produktion bereits Ende der 1970er Jahre eingeschränkt und die Verwendung 1989 ganz verboten.)
PCB isoliert, ist unbrennbar und bewahrt Kunststoffe davor, porös zu werden. Es findet sich dementsprechend in fast allen Fugen- und Isoliermaterialien sowie Deckenplatten, die zwischen etwas 1950 und 1980 verwendet wurden. Zudem wurde es in Hydraulikölen, Transformatoren und Kondensatoren eingesetzt, die z. B. in Leuchtstofflampen, Röhrenbildschirmen und den Motoren von Waschmaschinen verbaut wurden.
PCB ist sehr langlebig, verteilt sich in der Umwelt und sammelt sich in biologischen Substanzen, also z. B. auch in Menschen und Tieren, an. In den vergangenen Jahrzehnten sind immer wieder große Mengen PCB in die Umwelt geraten, weil Müll nicht sachgerecht entsorgt wurde, was regelmäßig zu einer breiten öffentlichen Diskussion führte. Kurzfristige hohe Belastungen sind verhältnismäßig unproblematisch, langfristige chronische Belastungen haben für Menschen hingegen weitreichende gesundheitliche Folgen: Sie führen zu Chlorakne, Haarausfall, Hyperpigmentierungen, Leberschäden, Fehlbildungen bei Embryonen und zu einer Schädigung des Immunsystems mit Krebs als möglicher Folge. Darüber hinaus wirkt PCB hormonell und steht im Verdacht, bei Männern zu Feminisierung und Unfruchtbarkeit zu führen. Zudem gibt es nicht bestätigte Vermutungen, dass diese hormonelle Wirkung auch Depression, Konzentrationsstörungen sowie Müdigkeit und Kopfschmerzen auslösen können.
Fast alle Gebäude, die in Deutschland zwischen 1950 und 1975 errichtet wurden, sind bedenklich belastet. Funde müssen seit 1999 an die Behörden gemeldet werden, Gebäude mit mehr als 3000 ng PCB pro m³ Raumluft müssen sofort saniert werden, Gebäude mit mehr als 300 ng PCB pro m³ Raumluft mittelfristig. Dennoch geht die Sanierung des Gebäudebestandes nur sehr schleppend voran; öffentliche Gebäude werden meist nur nach Protesten der Nutzer*innen saniert, private in der Regel gar nicht.
2) Was tut das in der Physik?
Schon lange ist bekannt, dass beim Bau der Physikalischen Institute (wie bei der Mehrzahl der Unigebäude) in großer Menge PCB und auch Asbest verwendet wurden. Dennoch hat es Jahre der Intervention der Personalräte, der Fachschaft und vor allem einzelner Personen aus der Fachgruppe bedurft, bis 2013 erste Messungen vorgenommen wurden. Die Konsequenz waren mehrere Sanierungsmaßnahmen, in deren Rahmen die Asbest-haltigen Teile der Gebäudeisolierung größtenteils ersatzlos entfernt wurde (mit dem Nebeneffekt, dass es in manchen Gebäudeteilen im Winter sehr kalt und im Sommer sehr warm ist) und zahlreiche Fugenabdichtungen erneuert wurden. Während die Asbestsanierung erfolgreich war, ist die Belastung mit PCB nach wie vor hoch. Sie liegt vor allem in vielen öffentlichen Teilen des Gebäudes zwischen 1000 und 2500 ng PCB pro m³ Raumluft.
Derzeit laufen Untersuchungen, um weitere PCB-Quellen ausfindig zu machen. Dabei gibt es einen Dauerstreit darüber, welche Sanierungsmaßnahmen sofort ergriffen werden müssen und welche bis zur anstehenden Generalsanierung aufgeschoben werden können, wenn ausreichend gegengelüftet wird.
3) Warum könnte das auch andere interessieren?
Kern des Streits um die Sanierungsstrategie ist nicht vor allem das Geld, das die Maßnahmen kosten; vielmehr sind die Abteilungen der Univerwaltung, die für die Planung, Betreuung sämtlicher Baumaßnahmen an der Uni verantwortlich sind, chronisch überlastet, was sich z. B. auch in einem sehr hohen Krankenstand zeigt.
Hintergrund dieser Überlastung ist eine Umstrukturierung, die in den kommenden Monaten auch über die Uni hinaus debattiert werden könnte: Im Allgemeinen gehören die Gebäude der Hochschulen in NRW dem Land und werden auch vom Land in Stand gehalten. Daran gibt es seit jeher Kritik, weil unabhängig von der formalen Zuständigkeit die Planungen letztlich doch von den Hochschulen gemacht werden müssen, weil nur sie wirklich wissen, was gebraucht wird. Die Universität zu Köln bildete in diesem Zusammenhang schon immer eine Ausnahme: Sie war auf Grund ihrer Neugründung 1919 durch die Stadt gegen den Willen Preußens (was das „zu“ im Namen anzeigt) schon immer selbst Gebäudeeigentümerin, die Verwaltung lag aber auch hier in den Händen des Ministeriums. Angesichts dessen wurde vor einigen Jahren ein Modellversuch gestartet, bei dem die Universität die Verantwortung für die Gebäude komplett selbst übernommen hat.
Die Erfahrungen mit diesem Versuch sind insgesamt positiv, weswegen 2014 entschieden wurde, das neue Modell für die UzK zur Dauerlösung zu machen. Auch wenn vieles hakelig läuft, so werden doch Probleme wie die PCB-Belastung, die früher ignoriert wurden, inzwischen überhaupt angegangen. Allerdings hat die Universität die Umstellung unterschätzt:
- Seit der Bildungsexpansion der 1970er Jahre ist die Uni weiter gewachsen, hat aber keine neuen Gebäude gebaut, sondern in großem Umfang Wohnungen, Büros, Etagen von Hotels etc. angemietet. Diese Provisorien sind nicht nur unpraktisch, sondern als Dauerlösungen auch teuer. Deshalb wurden, seitdem die Gebäudeverwaltung komplett in Unihand liegt, zahlreiche Neubauten begonnen bzw. auch schon teilweise fertiggestellt. Dabei wurde und wird so viel und schnell gebaut, wie das Geld es zulässt. Das ist teils mehr als die Kapazitäten für Planung und Organisation hergeben, zumal man dafür auch nicht einfach neue Leute einstellen kann, sondern auch Leute braucht, die sich mit der vorhandenen Infrastruktur, ihrer Geschichte und den Bedürfnissen der einzelnen wissenschaftlichen Einrichtungen auskennen.
- Gebäude in der Hand des Landes unterliegen nicht den üblichen Genehmigungsprozeduren. (Warum sollte sich eine öffentliche Stelle auch bei sich selbst eine Erlaubnis holen?) Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Hochschulgebäude in NRW auf dem jeweils aktuellen technischen Stand gebaut und auf diesem erhalten wurden. Gleichzeitig wurden die Auflagen für Gebäude im Allgemeinen strenger, insbesondere in Bezug auf den Brandschutz und angesichts der Loveparade-Katastrophe auch in Bezug auf die Fluchtwege. Diese Gesetzesänderungen waren immer damit verbunden, dass bestehende Gebäude innerhalb einer angemessenen Frist nachgerüstet werden mussten, dass z. B. Brandmeldeanlagen eingebaut werden mussten. Bei den vom Land bewirtschafteten Unigebäuden sind diese Nachrüstungen jahrzehntelang nicht geschehen. Mit der Übernahme der Gebäudeverantwortung durch die Uni unterliegen die Unigebäude nun den normalen Gesetzen und Stadt und Feuerwehr fordern mit großem Nachdruck die Aufrüstung aller Gebäude auf den aktuellen Stand der Technik ein, womit die Uni bei der Planung der Umstellung nicht gerechnet hatte. Ergebnis davon sind z. B. skurrile Übergangslösungen wie menschliche Brandwachen, die übergangsweise Brandmeldeanlagen ersetzen sollen. Ihnen konnte man bis vor einiger Zeit regelmäßig in der Physik begegnen, in den Geowissenschaften und dem Humf-Hauptgebäude sind sie noch immer unterwegs.
Alles nur alte Anekdoten? Nein. Einerseits sind wir der Meinung, dass es nicht einfach nur „Schuld“ starrköpfiger Kolleg*innen ist, dass die Sanierung so schleppend und unbefriedigend läuft, sondern wir ein bisschen genauer hinsehen sollten. Andererseits plant die neue Landesregierung, das „Kölner Erfolgsmodell“ für alle Hochschulen des Landes zu verallgemeinern und überall die Bewirtschaftung der Gebäude an die Hochschulen selbst zu übertragen. Da sollte man ja auch aus den Kölner Erfahrungen lernen.
…und dranbleiben, um sich nicht vergiften zu lassen!