Offener Brief an die Geschäftsführung und den Verwaltungsrat des Kölner Studierendenwerks

Liebe Geschäftsführung des Kölner Studierendenwerks, lieber Verwaltungsrat,

wir wenden uns an Sie, weil wir Sie auffordern möchten, Abstand zu nehmen von der Entscheidung, die Verteilung von Flugblättern an den Kölner Mensen zu verbieten und nur im Vorfeld der studentischen Wahlen zu erlauben.

Die Studierendenwerke sind ursprünglich gegründet worden als studentische Selbsthilfeeinrichtungen. Heute sind sie sowohl staatlich als auch durch die Beiträge der Studierendenschaft finanziert und tragen zur Förderung der sozialen und kulturellen Belange der Studierenden bei, zum Beispiel durch günstigen Wohnraum, preiswertes Mensaessen und eine Studienfinanzierung, die Bildung und Wissenschaft für alle ermöglicht. Dies war und ist politisch umstritten. Das Studierendenwerk wurde also zur Verbesserung der sozialen Lage von Studierenden erkämpft und verteidigt. Das hat Aufklärungsarbeit zur Voraussetzung.

Im Rückblick der letzten 50 Jahre lässt sich sagen: Das Engagement und die Aufklärungsarbeit der Studierendenschaft sind ein wesentlicher Pfeiler für eine Demokratisierung der Hochschulen und der Gesellschaft. Nicht nur die Bildungsoffensive der 70er Jahre wäre ohne dies nicht denkbar gewesen. Auch für die Verwirklichung einer Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung – damals gegen den „Muff von 1000 Jahren“, heute gegen die wachsende Abhängigkeit von Drittmitteln – ist studentische Aufklärung und Information Voraussetzung.

Und nicht zu vergessen: Sowohl die Abschaffung von allgemeinen Studiengebühren als auch die Stellungnahmen der Universität zu Köln, der Sporthochschule und des Studierendenwerks gegen die aktuellen Pläne der Landesregierung, AfD-kompatible Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende einzuführen, machen deutlich, welche positive Bedeutung das gemeinsame Engagement und die Aufklärungsarbeit haben, und wie nötig sie aktuell sind.
In diesem Zusammenhang steht das Verteilen von Flugblättern in den Mensen. Es handelt sich um politische Informationen von Studierenden für Studierende. Sie sollen dazu beitragen, dass sich die Kommilitoninnen und Kommilitonen über die studentischen Angelegenheiten informieren können, sie tragen zur demokratischen Meinungs- und Willensbildung bei und ermutigen dazu, dass sich mehr Menschen engagieren. Das macht die demokratische Bedeutung der Flugblätter studentischer Gruppierungen aus.

In diesem Sinne ist im Hochschulgesetz in Paragraph 53 als Aufgabe der Studierendenschaft („Die an der Hochschule eingeschriebenen Studierenden“) festgeschrieben, dass sie ihre sozialen und gesellschaftspolitischen Belange wahrnimmt und darüber aufklärt:

„(2) Die Studierendenschaft verwaltet ihre Angelegenheiten selbst. Sie hat unbeschadet der Zuständigkeit der Hochschule und des Studierendenwerks die folgenden Aufgaben:
1. die Belange ihrer Mitglieder in Hochschule und Gesellschaft wahrzunehmen;(…)
3. an der Erfüllung der Aufgaben der Hochschulen (§ 3), insbesondere durch Stellungnahmen zu hochschul- oder wissenschaftspolitischen Fragen, mitzuwirken;
4. auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung die politische Bildung, das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft zur aktiven Toleranz ihrer Mitglieder zu fördern;(…)
(3) Die studentischen Vereinigungen an der Hochschule tragen zur politischen Willensbildung bei.“

Hierfür ist vorgesehen:

„Die Studierendenschaft und ihre Organe können für die genannten Aufgaben Medien aller Art nutzen und in diesen Medien auch die Diskussion und Veröffentlichung zu allgemeinen gesellschaftspolitischen Fragen ermöglichen.“

Gerade in Zeiten, in denen eine rechtsextreme Partei wie die AfD wieder in Parlamenten sitzt und Neofaschisten Menschen aufgrund ihrer Herkunft durch Straßen jagen, ist die Förderung demokratischer Willensbildung Grundnahrungsmittel einer aufgeklärten, weltoffenen und menschenzugewandten Gesellschaft. Es kommt gegen die Vereinzelung und Perspektivlosigkeit, die sich die Rechten zu Nutze machen, entschieden darauf an, dass mehr vertreten und sichtbar wird, dass Menschen durch Engagement ihre gemeinsame Lage verbessern können.

Wir halten es daher für erforderlich, dass ein solches Engagement und die entsprechende Aufklärung verstärkt zur Geltung kommen. Das Verteilen von Flugblättern in den Mensen hat dafür enorme Bedeutung. Dies gilt nicht nur im Vorfeld studentischer Wahlen. Eine allgemeinwohlorientierte Wissenschaft und Bildung, die dafür erforderliche demokratische Verfasstheit der Hochschulen, ihre soziale Öffnung sowie Studien- und Arbeitsbedingungen, die zu kritischer Mündigkeit ermutigen, sind dauerhafte Entwicklungsaufgaben.

Wir bitten Sie daher, die Einschränkung demokratischer Meinungsbildung zu revidieren. Die Mensen sind universitäre Orte der Begegnung, in denen Hochschulmitgliederzusammenkommen, sich Zeit nehmen zu lesen und sich auszutauschen, wofür eine weltzugewandte Atmosphäre wichtig ist. Jeder und jedem bleibt unbenommen, Flugblätter zu ignorieren – ohne andere von der Lektüre abzuhalten.

Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Mit freundlichen Grüßen

Köln, 2. Oktober 2018, 12 Uhr

  • Alternative Liste
  • campus:grün spoho köln – linke grüne Studierende der Sporthochschule Köln
  • Die Linke.SDS Köln
  • Dirk Hansen, Gewerkschaftssekretär
  • Fachschaft Chemiedidaktik
  • Fachschaft emotionale und soziale Entwicklung
  • Fachschaft Inklusion
  • Fachschaft Physik
  • GEW Fachgruppe Hochschule und Forschung im Stadtverband Köln
  • Dr. Klaus Herrmann, ehem. wiss. Angesteller und Mitglied im Personalrats für das wissenschaftliche und künstlerische Personal der Universität zu Köln
  • Senta Pineau – Studentische Senatorin, „Liste Linker Aktiver“
  • Dr. Sharo Garip, Akademiker für den Frieden, ehemalige Geisel der türkischen Regierung und unter anderem durch Solidarität und Aufklärung in den Mensen wieder in Köln
  • StAVV (Studierenden-Ausschuss der Vollversammlung an der HumF)
  • Dr. Stephan Wonczak, Vorsitzender des Personalrats für das wissenschaftliche und künstlerische Personal der Universität zu Köln, stellvertretend für den PR
  • Uni-Aktionsbündnis
  • Vertretung der Belange der Studentischen Hilfskräfte (SHK-Rat)
  • Wendepunkt – Sozialisten und weitere Aktive